
Wanderschaft
Das zünftige Reisen von Handwerkern hat eine uralte, bis in das späte Mittelalter zurückreichende Tradition. Diese Tradition hat allein im Bauhandwerk bei Maurer-, Zimmer- und Dachdeckergesellen überlebt und wird so bis zum heutigen Tage, bei den rechtschaffenen fremden Gesellen praktiziert. Die Reisedauer beträgt drei Jahre und einen Tag. Während dieser Zeit darf der reisende Geselle seinen Heimatort in einem Umkreis von fünfzig Kilometer – außer zu unabwendbaren Ereignissen, wie schwerer Krankheit oder Tod der engsten Familienangehörigen – nicht bereisen!
Die Wanderschaft ist eine in jeder Beziehung praxisnahe Lebensschule, die jedem fremden Gesellen ein gesundes Selbstvertrauen gibt, seinen Horizont erweitert und die berufliche Erfahrung vervielfältigt. Davon zehrt er sein ganzes Leben!
Der Fremdgeschriebene lernt auf seiner Reise im In- und Ausland andere Arbeitspraktiken und Baustile kennen. Durch den direkten Kontakt mit der Bevölkerung wird sein Verständnis für andere Kulturen geweckt. Darum lässt sich mit Recht sagen, die Wanderschaft war für die meisten rechtschaffenen fremden Gesellen die schönste und ereignisreichste Zeit in ihrem Leben.